Übergewicht: Raubbau am Kniegelenk

Überflüssige Kilo auf den Rippen belasten nicht nur das Herz-Kreislauf-System, sondern setzen auch die Gelenke unter sprichwörtlich zermürbenden Dauerstress

Die menschlichen Knie leisten beständige Schwerstarbeit, denn sie schleppen den Körper tagtäglich oft kilometerweit. Welch großartigen Dienst sie uns erbringen, bleibt dabei häufig unbedacht. Viele erkennen ihre Leistung erst, wenn sie ihre Arbeit verweigern und mittels starker Schmerzen um Hilfe schreien.
Norwegische Forscher vom Telemark Hospital in Skien haben nun mit einer aktuellen Studie belegt: Je früher überschüssige Pfunde auf den Knien lasten, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass der Betroffene eine Gelenkarthrose erleidet.
„Übergewicht bedeutet eine ständige Überlastung unserer Knie, denn sie sind für solch hohen Druck schlichtweg nicht ausgelegt. Die Folge ist ein schmerzhafter und irreparabler Verschleiss”, betont die Orthopädin Dr. Renate Döbber, die eine Privatpraxis in Blankenese und eine große Kassenarztpraxis in Uetersen betreibt.
Besonders ausgeprägt sei die Arthrose oft, wenn der Body-Mass-Index (BMI) des Betroffenen schon in jungen Jahren, also meist über einen sehr langen Zeitraum, weit über dem Normwert liege. Denn Übergewicht schädige die Knie nicht nur mechanisch, sondern ein gestörter Fettstoffwechsel greife zusätzlich den Knorpel an, erläutert Dr. Döbber.
Allerdings warnt die Blankeneser Orthopädin davor, selbst bei fortgeschrittenem Verschleiss sofort zu operieren: „Die Wahl der Behandlungsmethode sollte sich nicht ausschließlich an Röntgenbildern, sondern in erster Linie an der Lebensqualität des Patienten orientieren.“
Eine künstliches Kniegelenk darf deshalb immer nur der letzte Ausweg sein, betont die Fachärztin und ergänzt: „Es gibt gute Behandlungsmöglichkeiten, etwa Akupunktur oder Hyaluronsäureinjektionen, die Beschwerden lindern und eine Operation vermeiden oder zumindest hinauszögern können.”
Erst wenn diese Maßnahmen nicht mehr greifen, so Döbber, kommt eine OP in Betracht: „Aber auch dann muss man prüfen, ob nicht schon eine kleine Teilprothese als Oberflächenersatz ausreichend ist.”

Welt, 05/2014
Welt am Sonntag, 05/2014

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